Angebot

 

„Unsterblichkeit ist dein Geburtsrecht. Ebenso der Zugang zu einer Machtfülle, die den anderen magischen Wesen deiner Welt niemals zugänglich sein wird. Doch der Preis bei der unwiderruflichen Annahme deines Erbes ist hoch, sehr hoch. Also überlege gut, bevor du dich endscheidest.“

„Nenn mir den Preis!“

„Du wirst alles verlieren, was dir lieb und wichtig ist: Deine Eltern, deine Geschwister, Freundschaften, deine Heimat, deine Jugend und deine Schönheit. Du wirst deine Macht niemals direkt für dich selbst einsetzen können, keine Erleichterungen bei Befindlichkeitsstörungen, kein Reichtum durch Zauberei. Du wirst eigenständig lernen müssen deine Macht zu erwecken und wie du sie handhaben kannst. Es gibt kein Buch mit Anweisungen. Du wirst auf dich allein gestellt sein. Mach was draus oder darbe auf ewig. Nun endscheide dich!“   

„Na prima“, dachte sie. „Was ein Scheißdeal. Obwohl, Unsterblichkeit und Macht ohne Ende sind schon sehr reizvoll. Familie? Dreizehn Geschwister, eine kränkelnde Mutter und einen Schuster als einziger Verdiener. Hunger und Not waren täglich Gäste im Haus. Freunde? Nicht wirkliche. Heimat? Welche Heimat? Jugend und Schönheit? Davon wird man nicht satt, außer man verkauft sich mit Leib und Seele an die fetten Kerle aus der Oberstadt. Also, was soll es. Schlimmer als jetzt kann es nicht werden.“

„Und?“

„Sag mir erst, wenn es doch ein Erbe ist, haben meine Eltern es abgelehnt?“

„Erbe mütterlicherseits. Deine Mutter lehnte ab, wegen der Liebe zu deinem Vater. Deine anderen Ahninnen verweigerten das Erbe aus den unterschiedlichsten Gründen. Nun bist du an der Reihe und es gibt nur diesen einen Moment für deine Entscheidung. Also, was nun!“

Sie spürte die wachsende Ungeduld ihres Gegenübers, hörte das hungernde Rumpeln ihres leeren Bauches und wie der eiskalte Wind durch die löchrige Jacke auf ihrer Haut den rauen Ton der Kälte pfiff. Sie schloss ihre Augen und sagte dann mit fester Stimme: „Ich nehme das Erbe an.“

Die Welt versank in einem grellen Feuerstrahl.

Nächtliches


Mitten in der Nacht wachte sie mit rasendem Herzklopfen auf. Es war still. Viel zu still.

„Hallo? Hallo?“

Ein tiefes Knurren drang unter ihrem Bett hervor, gefolgt von einem mit grusligen Rülpsern untermalten, eiskalten Stöhnen. 

„Ich bin doch da!“.

Beruhigt über die schrecklich schön vertraute Anwesenheit des grauenvollen Monsters schlief sie wieder ein.

Frage


Sie war, nach gängiger Meinung,
nicht besonders schön in ihrer Kantigkeit.

Er war, glaubte man seinem sozialen Umfeld,
nicht auffallend schlau oder begabt.

Sie verliebten sich in jungen Jahren und lernten
sich zu lieben in den folgenden Jahrzehnten.

In seinen Augen war sie das schönste Wesen auf Erden.
Sie schätzte besonders seine unaufgeregte Intelligenz.

Auf die Frage, wie man es so lange miteinander aushalten könne,
schauten sie sich und den Fragesteller nur verwirrt verwundert an.

Sie verstanden die Frage nicht.

Altern


„Jedes Alter hat seine eigene Schönheit!“

Herz umhastet mit stolperndem Schluckauf
die keuchend knarzenden Knochen.
Knie quietscht empört wackelnd die
krampfhaft bibbernden Muskeln an.
Blase verweigert jedwedes Gespräch
mit den eingeschnappten Nieren.
Füße schieben sich mit quellendem
Frohlocken in die aufgepumpten Waden.
Fußnägel krallen sich Halt suchend in
paarungswillig anbiederndes Fleisch.
Haare spielen verschämt grinsend
Haschmichdoch in Kämmen und Bürsten.
Brüste grüßen den kugeligen Bauch
im sanften Vorüberschaukeln.
Arschbacken flirten aufdringlich albern
mit den unwillig ziependen Kniekehlen.
Steife Hände tasten zitternd nach
den verschwommenen Augenblicken.
Haut faltet sich zielorientiert beharrlich
um innovativ braun gesprenkeltes Gelände.
Der Geist schlägt sich entsetzt
vor die gerunzelt weise Stirn.

Die Schönheit des Alterns
erschließt sich mir nur langsam.

Unerwartet


Du erschienst mir so hässlich
So garstig, so fremd
Dann sprach ich mit dir
Lauschte deinen Träumen
Teilte deinen Schmerz
Wischte unsere Tränen hinweg
Streichelte dein Lachen
Und deine Schönheit schäumte
Mir mitten ins Gemüt

Ach Weib, ach Mann


Ach Weib

Als die Brautwerber bei deinem Vater vorstellig wurden
Saß ich mit Freunden in der Kneipe
Verspielte die Zeit, anstatt sie dir zu schenken
Tat beiläufig was eines Mannes Pflicht in erster Nacht
Deine erfülltest du still in blutlakigem Rot.
Und du bliebst an meiner Seite

Ich wollte dich, so jung und lebensfroh
Ganz unten, Zierde meines Hauses
Wie eine Rose am Kragen meines Jacketts
Wollte dich zeigen und dann verschließen
Aus meinen Gedanken und meinen Plänen
Und du bliebst an meiner Seite

Dein Ausbildungsgeld steckte ich in ein Geschäft,
Viele folgten, kaum etwas blieb davon
Du wolltest lernen und ich machte dir Kinder
Euer Lachen gellte mir fordernd in den Ohren
Ich wurde ein ganzer Mann und ging den Dingen nach
Und du bliebst an meiner Seite

Ich habe gesoffen, gelogen, betrogen
Geschlagen, gehurt und mich
Mitten im Leben zum Affen gemacht
Dein stilles Lächeln begleitete mich
Die Kinder gingen frohgemut
Und du bliebst an meiner Seite

Du nanntest mich stark und roh und eisenhart
Nahmst doch meinen Kopf an deine Schulter
Dein Atem streichelte meinen Zorn hinweg
Du gewährtest mir Obhut und eine offene Tür
Den Tender stets gefüllt, die Taschen sorgfältig gepackt
Und du bliebst an meiner Seite

Jetzt bin ich müd und grau
Ein wenig lahm, doch Manns genug
Mir ins Gesicht zu lachen
Ich muss der Welt nichts mehr beweisen
Nicht mehr verstreuen Schein und Glut
Ach Weib, lass mich an deiner Seite bleiben

Deine Haut, gefaltet vom Leben und von mir
Will ich mit meinen Händen glätten
Jede Furche wie zum ersten Mal durchwandern
Möchte endlich satt mich essen an dir und mir
Ein Leben habe ich gebraucht zu verstehen:
An deiner Seite kann ich einfach sein und bleiben









Ach Mann

Als die Brautwerber bei meinem Vater vorstellig wurden
Saßt du mit Freunden in der Kneipe
Verspieltest die Zeit, anstatt sie mir zu schenken
Tatest beiläufig was eines Mannes Pflicht in erster Nacht
Meine erfüllte ich still in blutlakigem Rot.
Und ich blieb an deiner Seite

Ich wollte dich, so jung und lebensfroh
Grenzenlos nah, in Gemeinsamkeiten wirrend
Wie einem Freund im geheimen Garten
Mich dir zeigen und mit dir teilen
Gedanken, Zukünfte und Schelmereien
Und ich blieb an deiner Seite

Mein Ausbildungsgeld stecktest du in ein Geschäft,
Viele folgten, kaum etwas blieb uns davon
Ich wollte lernen und du machtest mir Kinder
Unser Lachen verstandest du nie als Einladung
Du schlichst dich heimlich fort so manche Nacht
Und ich blieb an deiner Seite

Du hast gesoffen, gelogen, betrogen
Geschlagen, gehurt und dich
Mitten im Leben zum Affen gemacht
Mein stilles Weinen erkanntest du nicht
Die Kinder gingen traurig fort
Und ich blieb an deiner Seite

Ich nannte dich stark und roh und eisenhart
Legte doch den Kopf an deine Schultern
Gewährte uns kurz Obhut in deinem Armen
Verschloss Worte und Traum tief in mir
Ließ dich versorgt gehen ein weiteres Mal
Und ich blieb an deiner Seite

Jetzt bin ich wach, auch grau dazu
Ein wenig lahm, doch Weib genug
Mir ins Gesicht zu lachen
Ich muss der Welt nichts mehr beweisen
Nicht mehr verstreuen Schein und Glut
Ach Mann, ich kann nicht mehr an deiner Seite schweigen

Meine Haut, gefaltet vom Leben und von dir
Will ich allein mit meinen Händen glätten
Jede Furche wie zum ersten Mal durchwandern
Möchte endlich satt mich essen am Leben und an mir
So viele Jahre habe ich gebraucht zu verstehen:
An deiner Seite, Mann, kann ich nicht sein und leise bleiben




Du wirst gehen


Du wirst gehen. Du willst nicht gehen. Willst deine Mutter und die kleinen Geschwister nicht verlassen. Du kannst sie doch in all dem Elend und in all den Gefahren nicht alleine lassen. Du wirst gehen.
Dein Vater und deine zwei Brüder wurden erschossen. Du bist jetzt der älteste Mann in deiner Familie. Du kannst jetzt nicht gehen. Doch du wirst gehen.
Du bist gerade sechzehn Jahre alt geworden. Ein Kind noch, doch alt genug, um von einer der Milizen an die Waffe gezwungen zu werden. Sie kreisen seit Tagen um euer Haus. Deine Mutter hat sie schon mehrmals von der Türschwelle weggejagt. Du darfst das Haus nicht mehr verlassen. Deine Mutter hat Angst. Seit Jahren hat sie Angst, um ihren Mann, die Kinder, um dich. Du willst nicht gehen. Du wirst gehen.
Sie weint, sie schreit, sie fleht, sie bittet. Deine Mutter lag vor dir auf den Knien und bettelte dich an, dich in Sicherheit zu bringen. Sie sagt, dass alles besser ist für sie, wenn sie nur keine Angst mehr haben müsse, dass du totgeschossen wirst oder andere Menschen totschießen musst. Du willst nicht gehen. Du wirst gehen.
Sie weint, sie fleht, sie bittet. Sie hat alles Entbehrliche auf dem Schwarzmarkt verkauft. So hast du vielleicht eine kleine Chance, bis über die Grenzen und auf ein Schiff zu kommen. Diese klitzekleine Chance, die doch so viel größer ist als jene des Hierbleibens. Du willst nicht gehen. Du wirst gehen.
Weil du den Schmerz deiner Mutter nicht mehr aushalten kannst. Weil dein Gehen ihre einzige Hoffnung in ihrem Leben sein wird. Ihre einzige Möglichkeit zum Überleben ist diese Hoffnung. Weil sie ihr Kraft gibt. Sagt sie. Weil das Wissen, dass du leben wirst, ihr Leben am Leben erhalten wird. Du willst nicht gehen. Du wirst gehen.
Es wird dir dein Herz brechen und deine Seele in tausend Stücke zerreißen. Aber ihr Herz wird dadurch noch eine Weile schlagen können. Du wirst gehen.