Er fragte sie, völlig überraschend und so gar nicht seiner
Art entsprechend, was sie sich denn wünsche. Ob es irgendwas gäbe, womit er ihr
eine Freude machen könne.
„Bitte“, sagte sie, „können wir diesmal meinen Geburtstag
feiern! Ich habe ihn, seitdem ich ein Kind war, nicht mehr gefeiert, bitte.“
Er nickte, strahlte sie an und versprach es fest. Die
nächsten Tage war sie so aufgeregt. Immer wieder rutschte ihr beim Essen mit
der Familie ein „Wie sehr freue ich mich. Wen ladet ihr denn alles ein?“ raus
und sie ganz hippelig auf dem Stuhl herum.
Sie kannte ja außer der Familie niemanden in dieser fremden
Stadt. Er würde es aber schon organisieren. Sie war so voller Glück, Erwartung
und Dankbarkeit erfüllt und zeigte es ihm, indem sie besonders zärtlich, weich
und sanft zu ihm war.
Der Morgen ihres Geburtstages. Er war schon vor ihr in der
Küche. Kein Wort. Nichts. Dann beim Frühstück: „Wir müssen nachher auf die
Passstelle. Dein Pass muss heute beantragt werden.“
Auch von Seiten der Familie kam nichts. Kein Wort, keine
Geste. „Oh, vielleicht bereiten sie eine Überraschung vor und wollen mich
zappeln lassen bis zum Nachmittag. Bestimmt, so ist es!“, ging ihr durch den
Kopf.
Auf der Passstelle eine ewige Warterei. Dann fragte der
Beamte etwas und ihr Mann übersetzte: „Dein Geburtsdatum?“. Sie sagte es ihm
und fügte leise ein „heute“ hinzu. Er hörte es nicht.
Es geschah nicht viel mehr an diesem Tag. Keine Worte, keine
Aufmerksamkeiten, kein Nichts. In der Nacht, als alle schliefen, nahm sie ihr
kleines Kind auf den Arm und ging hoch aufs Dach. Eine Kerze dabei. Im warmen
Schein des Lichts schaute sie über die flachen Dächer dieser Stadt, die ihr so
fremd und abweisend erschien.
Erst leise summend und dann lauter werdend sang sie die
Lieder, die sie an zu Hause erinnerten. Nach einer Weile fiel, wie schon so oft
in den Nächten vorher, zart eine Gitarre von einem der gegenüberliegenden
Dächer ein, ummalte ihren Gesang, passte sich an. Sie wusste nicht, wer dort
spielte, ob Mann oder Frau. Ihre Stimme erhob sich, wurde tragender und nach
einer langen Weile ließ sie sie sachte ausklingen. Sie erlaubte sich leise zu
weinen.
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