Albtraum. Wiederkehrend.


Wieder träumte sie in dieser Nacht. Einen Schlüssel verloren. Welchen? Suchend rannte sie durch die endlosen Tunneln der U-Bahn einer imaginären Stadt. Verfolgt. Von wem? Sich nach dem lichten Ausgang keuchend sehnend, lockte das Dunkel verheißend mit Meeresrauschen. Ach ja, die Pferde am Ostseestrand. Wie hatte sie diese immer wiederkehrenden Wochen in ihrer Kindheit geliebt. Vater war da und hatte Zeit. Ein wenig. Ein seltenes Geschenk. Früh morgens gingen sie zur Koppel und schauten dem kauenden Erwachen der Herde zu. Pfeife im Mund und ein blitzendes Lächeln in seinen Augenwinkel. Dann, dieser eine Sommer. Ein Stecher hatte sich nachts eingeschlichen, die Wiese mit Blut gesättigt, die nährende Ruhe des morgendlichen Rituals für immer gebrochen. Sie reisten noch am Nachmittag ab. Vater nach Wien und Mutter mit ihr in die kleine Wohnung nach Berlin. Danach gab es keine gemeinsamen Sommer mehr. Sie musste sich eilen, hetzen, die Schritte hinter ihr wurden lauter. Die nächste Abzweigung, die nächste Schiene überqueren. Sie braucht den Schlüssel, dann würde sich alles ändern. Wenn sie nur wüsste, welchen Schlüssel. Oh, zu spät, zu spät, die Bahn, sie spürte das Vibrieren unter ihren Füßen. Die Schritte so nah jetzt. Sie hatte den Schlüssel nicht. Das Licht so grell von vorne, die Wände nun drängend geschlossen an den Seiten. Der Schlüssel, der Schlüssel ... Durchnässt von Tränen und Schweiß wachte sie auf, den Traum schon nicht mehr greifen könnend. Irgendwas hatte sie gesucht. Sie suchte immer etwas. Sie konnte sich nie erinnern. Nur ein Gefühl der ängstlichen Vertrautheit blieb ihr nach solchen Nächten.

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